Christiana
Heidemann

Christiana Heidemann

Jeder Engel ist schrecklich. Und

dennoch, weh mir

ansing ich euch, fast tödliche

Vögel der Seele,

wissend um euch.

 

 R. M. Rilke aus Duineser Elegien

  Malerin  ~  Grafikerin  ~  Illustratorin  ~  Bildhauerin

  Radierungen ~ Aquarelle ~ Ölbilder ~ Ikonen ~ Plastiken ~ Skulpturen ~ Keramiken ~ Illustrationen

Vita

Christiana Heidemann wurde am 1.2.1950 in Gerolzhofen / Bayern geboren.

Heute lebt und arbeitet Christiana Heidemann im kleinen beschaulichen Dörfchen Mutzschen bei Grimma.

Sie ist seit 1990 Mitglied des BBK und seit 1992 Mitglied der GEDOK Leipzig / Sachsen e.V. Von 1995 bis 1997 war sie im GEDOK-Vorstand.

Über Generationen und Zeiten hinweg ergeben sich immer wieder künstlerische Wesensverwandschaften, werden die gleichen elementaren Lebensfragen aufgeworfen und finden in Gemälden und Grafiken eine neue, subjektiv durchlebte und geprägte künstlerische Form. Christiana Heidemann wurzelt in einer solchen, dem Symbolismus verpflichteten Traditionslinie. 1950 in Bayern geboren, begann sie seit 1974 systematisch zu malen und zu zeichnen. Vertraut gemacht mit dem Lehr- und Lernbaren in der bildenden Kunst hat sie Prof. Dr. Hans Schulze, der langjährige Dozent am Institut für Kunsterziehung der Leipziger Universität. In die originalgrafische Technik der Radierung führte sie der Künstlerkollege Gunter Böttger ein. Aber damit begann das Eigentliche: der Individuationsprozeß, das heißt auch, die eigene Existenz zu erwägen, aus sich herauszutreten und sich in Beziehung zu setzen zum Ganzen, Gefühle, Gedanken und Bilder, die tief im Inneren schlummern, hervorzuholen und ihnen eine überzeugende und packende künstlerische Form zu verleihen. Es gelang nicht sofort, Fehlschläge blieben nicht aus. Aber Christiana Heidemann ließ sich nicht entmutigen. Sie arbeitete mit einer beeindruckenden Unbeirrbarkeit, ja Passion. Arbeitend meisterte sie schwierige Lebenssituationen. Malen, sich bildnerisch ausdrücken, wurde zum Sinn ihres Lebens. Ihren Arbeiten war von Anbeginn an eine ausgeprägte moralisch-ästhetische Grundhaltung eigen, anfangs vielleicht noch unbewußt, suchend näherte sie sich Sujets und Themen, die heute in voller Konsequenz -emotional und rational - ihre Arbeit bestimmen. Das unsichtbare Gefüge der Seele oder Psyche bildet die Konstanten des Werkes. Es sind die archetypischen Bilder nach den Theorien des Psychoanalytikers C. G. Jung: die Symbole der Struktur der menschlichen Psyche und ihrer Reaktion auf die Welt, um die es ihr geht. Ihre Bilder haben eine doppelte Lesart - einmal und für jedermann sofort erkennbar: die genaue Wiedergabe von Erscheinungsformen der Natur und Realität. Aber die Abbilder sind gleichzeitig Sinnbilder, die in einer tieferen Ebene wurzeln, gespeist aus Mythen und Religionen und als Archetypen verankert im kollektiv Unbewußten der Menschheit. Ich erinnere mich an eines ihrer früheren Bilder, an eine herbstliche Landschaft, aber eigentlich dominierten die Wurzeln eines alten Baumes, die sich tief in das Erdreich gruben und deren knorrige Formen bei genauerer Betrachtung gnomenhafte Physiognomien und phantastische Fabelwesen erkennen ließen. Damals wußte sie noch nicht, daß ähnliches zu finden ist im Werk des Romantikers Moritz von Schwind, bei dem Surrealisten Max Ernst und darüber hinaus im phantasti­schen Wiener Realismus bei Ernst Fuchs und auf etwas andere Weise auch bei Arik Brauer. Später erkannte sie in ihren kunsthistorischen Ausein­andersetzungen jene Traditionslinien und ordnete sich sehr viel bewußter ein. Jedoch führten Erkenntnisse nie zum Verlust oder auch nur Störung der Emotionalität ihrer Bilder und Grafiken. Eine besondere Bedeutung kommt unter diesem Aspekt ihren Landschaftsaquarellen zu. Charakteristisch für diese ist ein intensives Naturerlebnis, das künstlerisch differenziert umgesetzt wird. Als Pendant zu jenem Frühwerk sei das Gemälde „Der vollendete Mond" aus dem Jahr 1998 betrachtet, ein Nachtbild, wo die Astgabeln eines mächtigen Baumes das volle fahle Rund des Mondes zu halten scheinen. In den Schriften des Psychoanalytikers und Kulturhistori­kers Erich Neumann findet sich eine bemerkenswerte Betrachtung, die dieses Bild vorauszusetzen scheint. „Die Schicksalsbedeutung des Himmels und Baumes gehören nicht nur darin zusammen, daß, wie in gegen­seitiger Spiegelung der Himmel als Baum erscheint und der Wipfel des Weltenbaumes in den Himmel ragt. Gerade weil der Baum in der Tiefe wurzelt, hat er Schicksalsbedeutung, seine Wurzelung im Dunkel des Unbewußten ist mit seiner Wurzelung im Himmel-Nachtraum identisch. „Wichtiger aber ist, daß er in die Zeit hineinwächst, seine. Äste verzweigt gleich dem Stammbaum eines Geschlechts, Jahr um Jahr einen neuen Ring um sich legt, sein Alter damit sinnfällig bezeichnend. Auch das Schicksal wächst von Innen heraus wie ein Baum ... Das Schicksal ist die heilige Mitte des Lebens. Aus seinem Schoß fließt Reichtum und Not, Glück und Unglück, Leben und Tod." Erich Neumann hat jenen Bogen der Symbolbedeutung auf Grund seiner umfassenden Kenntnisse von Mythen und Religionen, von Dichtung und bildender Kunst unend­lich weit gespannt. Nicht einem jeden wird es möglich sein, dem zu folgen. Für viele Menschen ist der Baum nichts weiter als ein Gebilde, das die Natur hervor­gebracht und das der Mensch sich nutzbar gemacht hat. Manch einer ahnt oder weiß um die tieferen Zusammenhänge und ist bereit, in dem Bild von Christiana Heidemann jene Sinnsuche und Sinnbedeu­tung nachzuvollziehen. Aber unabhängig von der Symbolhaftigkeit wirkt das Bild durch die wunderbare und geheimnisvolle Naturstimmung. Bei all den ange­botenen gedanklichen Assoziationsbezügen sind ihre Bilder glücklicherweise nie intellektuell überfrachtet. Ob man die Kugel - hier der Mond - aber auch sonst immer wiederkehrend, einem mythischen System zuordnet, sie als Symbol der Ganzheit, der Vollkommenheit, des Ewigen und Absoluten begreift, es mit der Mandala-Symbolik verbindet, oder sie nur als eine in sich ruhen­de, geschlossene ästhetische Form begreift, ist letztlich dem Betrachter überlassen. Eindeutig nicht in der sicht­baren Realität angesiedelt sind die in ihren Bildern immer wieder auftretenden geflügelten Gestalten, aber sie entziehen sich auch einer direkten konfessio­nellen Einbindung. Sie sind nicht identisch mit den Engeln, die in der mittelalterlichen Malerei und Plastik eine so große Rolle spielen, aber etwas von deren tie­feren Bedeutung schwingt noch mit. Man könnte sie deuten als Schwellenfiguren zwischen dem Realen und dem Geistigen, dem Erklärbaren und dem Unerklärbaren. Auf die absolut individuelle Annahme und Deutung dieser Wesen weist ein „Selbstbildnis" hin, auf dem sich Christiana Heidemann mit Flügeln darstellt, die allerdings deutlich erkennbar, umgebunden sind. Also keine Hybris, sondern der Wunsch, sich mit ihrer Hilfe - oder einer sie verkörpernden Kraft - emporzuschwingen, dem Verhaftetsein der irdischen Alltäglichkeit zu entkommen, eine neue geistige Kraft zu gewinnen. Aber in der linken unteren Bildhälfte schwebt eine Seifenblase oder Glaskugel, beide gelten in der bildenden Kunst als Vanitassymbole, sie zerplatzen oder zerbrechen leicht wie ein Traum.